Mit einer Kinderwunschbehandlung wird versucht, den Kinderwunsch zu erfüllen. So sehr sich Paare und deren Ärztinnen und Ärzte auch anstrengen, es gibt keine Garantie, dass eine Kinderwunschbehandlung zum Wunschkind führt. Schon während der Behandlung fragen sich viele, wie wohl das Leben sein wird, wenn sich der Kinderwunsch nicht erfüllt. Das ist verständlich, schließlich ist es ein ganzer Lebensentwurf, der sich damit ändern wird. Für viele ist es schwierig sich vorzustellen, dass sie trotzdem ein glückliches Leben führen können und zufrieden sein werden.
Der unerfüllte Kinderwunsch wird natürlich ein Lebensbegleiter werden und nicht irgendwann vergessen. Untersuchungen haben aber gezeigt, dass Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch nicht den Rest ihres Lebens unglücklich und unzufrieden sind. Nach der „rationalen Entscheidung“ keine Behandlung oder keine Anstrengungen mehr zu unternehmen, wird es zunächst eine Zeit geben, in der es darum geht, sich auch emotional vom Kinderwunsch zu verabschieden. Abschied bedeutet nicht, dass es einem nichts mehr ausmacht, dass der Kinderwunsch unerfüllt ist. Abschied ist auch keine einmalige Angelegenheit, die bearbeitet und abgeschlossen wird. Es ist ein Weg, der Kraft benötigt. Denn wenn sich Lebensentwürfe nicht erfüllen lassen, ist das schmerzhaft und traurig. Mit diesen Gefühlen umzugehen hilft dabei, auch wieder schöne Dinge im Leben zu sehen und sie bewusst in das eigene Leben zu holen.
Es gibt nicht den einen Weg, wie ein Abschied vom Kinderwunsch funktioniert. Wichtig ist, Dinge auszuprobieren und sich selbst zu beobachten, wie es einem damit geht. Manchen Menschen hilft beispielsweise kurzfristiger Abstand zu allem, was mit Kindern und einem Kinderwunsch zu tun hat. Das ist meist keine Dauerlösung, sondern eine Art Brücke, bis man einen Weg gefunden hat, mit plötzlich starken Gefühlen umzugehen. Anderen helfen Rituale, in denen sie ihren Gefühlen einen Raum geben, der durch das Ritual begrenzt wird. Das kann z. B. ein bestimmter Ort sein, an dem sie traurig sein dürfen. Der Vorteil ist hierbei, dass dieser „Traurigkeits-Ort“ verlassen werden kann.
Mit etwas Zeit und Übung werden Gefühle wie Traurigkeit, Wut oder Hilflosigkeit weniger intensiv und man kommt besser mit ihnen zurecht. Das ist der Punkt, an dem sich damit beschäftigen können, wie ein Leben ohne Kinder erfüllend sein kann. Sich damit zu beschäftigen bedeutet nicht, dass der Lebensentwurf „Familie mit Kind“ gleichwertig ist mit einem alternativen Weg. Es ist nicht leicht, sich damit zu beschäftigen. Oft ist auch das „Wie“ eine Herausforderung. Eine hilfreiche Möglichkeit kann sein, sich zurückzuerinnern an das eigene Leben vor dem Kinderwunsch. Zum Beispiel, was erfüllend war und Freude gebracht hat. Das bedeutet nicht, dass diese Dinge auch in der aktuellen Situation erfüllend sind. Es geht darum zu erkennen, dass es solche Bereiche im eigenen Leben gab. Sich daran zu erinnern macht vielen Menschen Hoffnung, dass sie wieder Themen finden, die sie erfüllen und zufrieden machen. Im nächsten Schritt ist dann Kreativität und Ausprobieren gefragt. Menschen ohne Kinder unterscheiden sich sehr stark darin, ob sie trotzdem viel mit Kindern zu tun haben wollen. Manche suchen bewusst „Kinder-Situationen“ auf (z. B. Patenkinder haben, bei der Geburtstagsfeier des Nachbarkindes helfen oder in einer Schule oder einer Kita arbeiten). Andere konzentrieren ihr Leben auf Aktivitäten, bei denen viel weniger Familien und Kinder anzutreffen sind (Sporturlaube außerhalb der Schulferien, Weinproben oder Wandern gehen). Ob das eine oder das andere der bessere Lebensweg ist, kann selten durch Nachdenken herausgefunden werden. Ausprobieren hilft hier mehr. Und ob etwas überwiegend Freude bringt oder belastend ist, wird deutlich spürbar. Auch die berufliche und Wohnsituation wird bei vielen Paaren neu auf den Prüfstand gestellt, da das Einkommen und der Wohnraum nicht auf Kinder ausgerichtet sein müssen. Es gehört viel Mut dazu den Partner oder die Partnerin zu fragen, wie er oder sie wohnen möchte, wenn die Entscheidung eigentlich schon getroffen war. Aber solche Gespräche bergen auch die Chance, sich neu kennen zu lernen und gemeinsam neue Ziele anzugehen.