"Es fiel mir schwer, meine 'Männlichkeit' untersuchen zu lassen"

Illustration eines Paares

Wir haben mit Anfang 30 ein paar Jahre versucht, schwanger zu werden. Als es dann nicht klappte, ging meine Frau zur Frauenärztin, die ihr nach ein paar Untersuchungen mitteilte, dass bei ihr alles in Ordnung sei. Sie empfahl, dass ich mich untersuchen lassen sollte. Ich muss gestehen, es fiel mir sehr schwer, meine "Männlichkeit" untersuchen zu lassen.

Es dauerte bestimmt sechs Monate, bis ich bereit war, zu einem Urologen zu gehen. Ich hatte große Angst davor, dass man mir mitteilen würde, bei mir würde etwas nicht stimmen.

Aber genauso war es dann auch. Und ich konnte es nicht fassen. Erst habe ich gedacht, der Arzt hätte das Ergebnis verwechselt – oder er hätte einfach nicht richtig untersucht. Aber dann stellte sich bei einem zweiten Spermiogramm das Gleiche heraus: Es waren keine Samen in meinem Ejakulat. Weitere Untersuchungen zeigten auf, dass auch eine Operation am Hoden keinen Sinn machen würde. Wir waren beide am Boden. Und ich fühlte mich sehr schuldig: Wegen mir konnte meine Frau keine Kinder bekommen.

Wir gingen dann trotz der Diagnose zu einem Kinderwunschzentrum, und dort wurde uns empfohlen, über eine Samenspende nachzudenken. Zu dem Zeitpunkt konnten wir uns das gar nicht vorstellen. Ich hatte die Vorstellung, dass ich das Kind eines anderen Mannes großziehen würde und dass mir das Kind irgendwann vorwerfen würde, ich sei gar nicht der "richtige" Vater. Und meine Frau konnte sich nicht vorstellen, von einem anonymen Spender schwanger zu werden. Wir überlegten und diskutierten gemeinsam, aber wir kamen zu keiner Lösung. Ein Leben ohne Kind war für uns beide nicht vorstellbar, eine Samenspende aber genauso wenig.

Weil wir nicht vorankamen, schlug das Kinderwunschzentrum eine Beratung vor. Auch davor schreckten wir erst einmal zurück. Aber wir vereinbarten einen Termin. Wir hatten nur zwei Sitzungen, viel weniger, als wir vermutet hatten. Aber in diesen Sitzungen besprachen wir unsere Ängste und Fantasien und die Beraterin half uns dabei, eine andere Perspektive zu entwickeln. Wir merkten, dass es uns weniger wichtig wurde, von wem ein Kind abstammt, sondern dass wir mit einem Kind unser Leben teilen können. Das führte dazu, dass wir uns für eine Samenspende entschieden und dann auch mit der Behandlung anfingen.

Mittlerweile sind wir stolze Eltern von einem 2-jährigen Sohn, und es fühlt sich für mich überhaupt nicht komisch an, dass er nicht direkt von mir abstammt. Ich erfreue mich jeden Tag an ihm und bin sehr froh, dass wir diese Behandlung gemacht haben.