Vor dem ersten Termin im Kinderwunschzentrum ist es hilfreich, sich über den Ablauf einer Kinderwunschbehandlung und die verschiedenen Behandlungsmethoden zu informieren. Viele Betroffene haben die Vorstellung einer “typischen Kinderwunschbehandlung”, die nach regulären Schritten vorgeht und bei allen Betroffenen gleich sein müssten – doch gibt diese eine typische Behandlung überhaupt? In diesem Artikel wird beleuchtet, welche Schritte tatsächlich für Kinderwunschbehandlungen im Allgemeinen typisch sind und inwiefern vielleicht doch jede Behandlung ihrem individuellen Weg folgt. Damit möchte ich Ihnen helfen, sich mental auf Ihre Kinderwunschbehandlung vorzubereiten.
- Gibt es eine typische Kinderwunschbehandlung?
- Wie läuft eine Kinderwunschbehandlung ab?
- Wie kann ich mich gut auf das erste Gespräch im Kinderwunschzentrum vorbereiten?
- Wieso muss der Behandlungsplan manchmal angepasst werden und wie gehe ich damit um?
Gibt es eine typische Kinderwunschbehandlung?
Die meisten Betroffenen beschäftigen sich schon länger mit ihrem Kinderwunsch, bevor sie beschließen, eine Kinderwunschbehandlung zu beginnen. Weil sie diese Situation häufig als unsicher und schwer planbar empfinden, wünschen sich viele Betroffene Sicherheit. Die Idee einer typischen Kinderwunschbehandlung vermittelt genau diese gewünschte Sicherheit und Planbarkeit in dieser schwierigen Zeit. Denn die Kinderwunschbehandlung ist immer davon abhängig, welche Gründe oder Ursachen für den unerfüllten Kinderwunsch vorliegen und welche Voraussetzungen Sie als Paar für die weitere Behandlung mitbringen.
Auch wenn es keine typische und allgemeingültige Kinderwunschbehandlung gibt, gibt es doch wiederkehrende Elemente, die die meisten Kinderwunschbehandlungen enthalten. Die Behandlung beginnt mit einem Erstgespräch. Auf dieses folgt dann die Diagnostik, also die Ursachenforschung durch verschiedene Untersuchungen. Auf Grundlage der Ergebnisse wird ein individueller Behandlungsplan erstellt. Anschließend wird die Kinderwunschbehandlung durchgeführt und bei Bedarf und in Absprache immer wieder angepasst.
In der Kinderwunschzeit neigen betroffene Frauen und Männer oft dazu, sich mit anderen Paaren zu vergleichen. Viele können von Erfahrungen berichten wie: „Freunde von uns sind schwanger geworden, als sie dieses und jenes gemacht haben“ und bekommen die Idee, dass sie durch dieses Vorgehen auch schwanger werden. Jedoch ist es so, dass bei der Kinderwunschbehandlung nicht einfach verallgemeinert und übertragen werden kann. Kinderwunschbehandlungen können sich aufgrund der zur Verfügung stehenden Behandlungsmethoden ähneln, allerdings lässt sich für den individuellen Behandlungsplan nicht vorhersagen, mit welcher Wahrscheinlichkeit bestimmte Methoden zu einer Schwangerschaft führen. Was bei einem Kinderwunschpaar geholfen hat, muss beim anderen Paar nicht zur Schwangerschaft führen. So unterschiedlich wie Menschen sind, sind es auch die individuellen Faktoren wie Vorerkrankungen, Probleme oder Ursachen. Anlaufstellen, die Ihnen ein “Wunderheilmittel” versprechen, das bisher bei jedem funktioniert hätte, sind deshalb gar nicht zu empfehlen.
Wie läuft eine Kinderwunschbehandlung ab?
Die Kinderwunschbehandlung beginnt mit dem Erstgespräch. Ziel dieses Gesprächs ist es, zu klären, ob und in welcher Form eine Kinderwunschbehandlung zu empfehlen ist. Dafür wird über die persönliche Vorgeschichte und eventuelle Vorerkrankungen gesprochen. Außerdem wird es darum gehen, wie lange Sie schon versuchen, auf natürlichem Weg schwanger zu werden. Also durch Sex an fruchtbaren Tagen. Ebenso wird geplant, welche diagnostischen Schritte für die individuelle Behandlung von Bedeutung sein könnten. Oder anders gesagt: Was muss untersucht und abgeklärt werden, damit die Behandlung sinnvoll geplant werden kann?
Im nächsten Schritt folgt häufig die Diagnostik. Hier wird versucht, herauszufinden, warum es mit der Schwangerschaft bisher nicht geklappt hat. Das heißt, es werden Untersuchungen gemacht, die für die ganz individuelle Kinderwunschbehandlung wichtig sind. Das können unterschiedliche Untersuchungen wie beispielsweise ein Spermiogramm, ein Ultraschall oder Untersuchungen des Blutes sein. Wichtig zu wissen ist: Nicht immer können die Gründe für den unerfüllten Kinderwunsch herausgefunden werden. Ihre Kinderwunschbehandlung kann trotzdem weitergehen. Häufig werden möglichen Gründe erst herausgefunden, wenn die Behandlung schon im Gange ist. Manche Betroffenen werden auch im Laufe der Behandlung schwanger, ohne genau zu wissen, wieso es vorher nicht geklappt hat. Das heißt es kann in einem Zwischenzyklus zu einer Spontanschwangerschaft kommen, oder die Behandlung führt zu einer Schwangerschaft, obwohl nicht abschließend geklärt ist, was vorher die Gründe waren. Die Medizin ist noch nicht so weit, dass alle Faktoren vollständig erforscht sind. Gleichzeitig gibt es aber gute Möglichkeiten.
Auf der Basis der Untersuchungsergebnisse und individuellen Umstände wird ein Behandlungsplan erstellt. Dieser Behandlungsplan dient der Orientierung und enthält die Methoden, welche im individuellen Fall als möglichst erfolgsversprechend angesehen werden.
Viele denken zuerst an die künstliche Befruchtung als mögliche Methode – doch diese ist nicht in jedem Fall nötig. In manchen Fällen kann beispielsweise auch eine hormonelle Unterstützung oder die Untersuchung und Bestimmung des genauen Eisprungtermins hilfreich sein. Manchmal muss jedoch auf eine künstliche Befruchtung zurückgegriffen werden. Zu den Methoden gehören beispielsweise die Insemination mit hormoneller Stimulation, die In-Vitro-Fertilisation (IVF) und die Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI). Bei der IVF werden aufbereitet Spermien im Labor zu einer Eizelle gegeben und die Befruchtung findet „von selbst“ statt. Bei der ICSI bringt eine Embryologin oder ein Embryologe ein Spermium in eine Eizelle ein.
Wie kann ich mich gut auf das erste Gespräch im Kinderwunschzentrum vorbereiten?
Als Vorbereitung auf den ersten Termin im Kinderwunschzentrum ist es sinnvoll, sich zu informieren, welche Unterlagen dafür hilfreich sind. Dazu gehören insbesondere Untersuchungsergebnisse oder Informationen zu eventuell vorliegenden Vorerkrankungen. Wenn Sie diese zum ersten Termin mitbringen, wissen die Ärzte und Ärztinnen genauer, wie Sie Ihnen am besten helfen können. Dadurch kann die Diagnostik und die Behandlungsplanung erleichtert werden.
Am besten informieren Sie sich auf der Homepage oder dem Infoabend Ihres Kinderwunschzentrums, ob es Unterlagen gibt, die sie unbedingt besorgen und zum Erstgespräch mitbringen sollten. Auch ihre Hausärztin oder Ihren Hausarzt und Ihre Gynäkologin oder Ihren Gynäkologen können Sie fragen, welche Unterlagen sie/er für sinnvoll hält. Darüber hinaus ist auch die psychosoziale Beratung eine Anlaufstelle, die sie bei all diesen Schritten unterstützt.
Besonders bei Unsicherheiten und schwierigen Gefühlen vor, während und nach der Kinderwunschbehandlung ist es wichtig, sich medizinisch gut beraten und informiert zu fühlen. Aber auch psychosoziale Unterstützung zu bekommen oder zumindest zu wissen, wie Sie diese Angebote bei Bedarf in Anspruch nehmen können, gehört dazu. Für viele Betroffene stellt die Kinderwunschbehandlung eine emotional belastende Zeit dar. Häufig wird weder am Arbeitsplatz noch im Freundes- und Familienkreis offen über die Thematik des unerfüllten Kinderwunschs gesprochen. Dadurch kann das Gefühl entstehen, allein mit den Gefühlen, Gedanken und Sorgen zu sein. Sie müssen sich nicht allein mit dem unerfüllten Kinderwunsch fühlen. Dafür gibt es die psychosozialen Unterstützungsmöglichkeiten wie Beratungen von spezialisierten Kinderwunschberatern und -beraterinnen. Diese verfügen über fachspezifisches Wissen und können Ihnen beim Umgang mit den Herausforderungen der Kinderwunschzeit hilfreich und stärkend zur Seite stehen.
Wieso muss der Behandlungsplan manchmal angepasst werden und wie gehe ich damit um?
Viele Betroffene haben es schon erlebt, dass während der Behandlung das Vorgehen, die Methodik oder die Dosierung gewisser Medikamente mehrmals neu angepasst werden mussten. Das kann beispielsweise dann vorkommen, wenn während der laufenden Behandlung neue Erkenntnisse gewonnen wurden. Also wenn zum Beispiel die Reaktion auf eine bestimmte Dosis eines Medikaments oder Hormons beobachtet wurde. Nicht jeder reagiert gleich und diese Beobachtungen und Anpassungen sind Teil der allermeisten Kinderwunschbehandlungen. Diese Veränderungen können Betroffene verunsichern, da sie das Gefühl haben können, nicht gut behandelt zu werden. Leider ist es jedoch so, dass die Medizin noch nicht so weit ist, vor Beginn der Behandlung eindeutig einschätzen zu können, welche Methoden individuell erfolgreich sein werden. Schwangerschaften lassen sich nicht versprechen, aber die Fachteams in den Kinderwunschzentren geben ihr Bestes, um die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft zu erhöhen. Genau deshalb ist häufig eine Anpassung des Behandlungsplans nötig.
- Es gibt nicht “die eine typische Kinderwunschbehandlung”. Ebenso wie Menschen mit Kinderwunsch individuell sind, ist auch die jeweilige Behandlung individuell. In jedem Fall wird ein persönlicher Behandlungsplan entwickelt, der verschiedene Faktoren berücksichtigt. Dieser Behandlungsplan wird während der Behandlung häufig angepasst – das bedeutet nicht, dass der Arzt/die Ärztin oder das Kinderwunschzentrum nicht weiß, was er/sie tut.
- Die Fachteams in den Kinderwunschzentren orientieren sich gewissenhaft an wissenschaftlich fundierten Erfahrungswerten (Leitlinien), um die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft zu erhöhen – aber es gibt kein Rezept, das eine Schwangerschaft garantieren kann.
- Als Vorbereitung für den ersten Termin im Kinderwunschzentrum ist es sinnvoll, sich zu informieren, welche Untersuchungsergebnisse zu gewissen Vorerkrankungen wichtig für die Kinderwunschbehandlung sind. So können bereits vorliegende Ergebnisse die Diagnostik und Behandlungsplanung erleichtern.
- Neben der medizinischen Behandlung und Begleitung gibt es für die oft sehr herausfordernde Kinderwunschzeit auch psychosoziale Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten, auf die zurückgegriffen werden kann.
Auch wenn Kinderwunschbehandlungen Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Behandlungsmethoden aufweisen können, ist jede Kinderwunschbehandlung so individuell wie die Betroffenen selbst. Die Zeit der Kinderwunschbehandlung kann emotional belastend sein, da es keine Garantie für eine Schwangerschaft gibt und die empfundene Unkontrollierbarkeit der Situation für Betroffene oftmals schwer zu ertragen ist. Die Fachteams in den Kinderwunschzentren erstellen für Sie einen individuellen Behandlungsplan, der am besten zu Ihnen passt. Sie kümmern sich um die medizinische Behandlung. Neben der medizinischen Behandlung gibt es bei Bedarf auch psychosoziale Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten, die dazu beitragen, Ihre Kinderwunschreise mental gestärkt zu meistern
Autorin: Sally Schulze
Sally Schulze ist Diplom-Psychologin, approbierte Psychotherapeutin und zertifizierte BKiD-Kinderwunschberaterin.