Wenn Sie gerade von einem unerfüllten Kinderwunsch betroffen sind, kann es Ihnen manchmal so vorkommen, als würden um Sie herum gerade alle mühelos schwanger werden. Und dann kommen noch diese schwierigen Gefühle dazu: Neid und Eifersucht beginnen, an Ihnen zu nagen. Eigentlich handelt es sich dabei um ganz natürliche Empfindungen. Sie kommen auf, weil andere das haben oder bekommen, was Sie sich selbst sehnlich wünschen - ein Kind. So schwer diese Gefühle manchmal auszuhalten sind, haben sie auch etwas Kraftvolles: Sie zeigen Ihnen, welche Bedürfnisse Sie haben und ob diese Bedürfnisse erfüllt sind. In diesem Artikel möchte ich Ihnen zeigen, wie Sie auch Ihren negativen Gefühlen wertschätzend begegnen können und somit vielleicht sogar etwas Positives aus Ihnen ziehen können.
- Neid und Eifersucht in der Kinderwunschzeit – wie fühlt sich das an?
- Woher kommen diese Gefühle in mir?
- Wie kann ich Neid und Eifersucht bewältigen - oder sogar etwas Positives daraus ziehen?
Viele Betroffene mit unerfülltem Kinderwunsch kennen dieses fiese Gefühl: Eine Freundin erzählt glücklich, dass sie schwanger ist. Alle stellen sofort hundert Fragen, sind aufgeregt und freuen sich mit ihr. Nur Sie selbst können sich nicht so richtig für Ihre Freundin freuen. Sie denken möglicherweise eher so etwas wie: “Warum war das für meine Freundin jetzt so leicht? Es ist ja fast, als bräuchte sie nur mit der Wimper zucken, um schwanger zu werden!” oder auch “Ich wünsche mir ein Kind so viel mehr als alle anderen und würde alles dafür tun - sie musste sich ja nicht mal richtig dafür anstrengen!” Vielleicht scheint es Ihnen, als sei plötzlich einfach jeder in Ihrem Umfeld schwanger: Eine Babyparty jagt die nächste und alle treffen sich nur noch, wenn die Kinder dabei sind. Es ist Ihnen selbst vielleicht schon klar: Sie empfinden gerade Neid – weil Ihre Freundin ein Kind bekommt, während Sie sich gerade sehnlich eines wünschen.
Noch schlimmer als der Neid selbst ist manchmal das Gefühl der Scham, das noch dazu kommt. Sie sind vielleicht nicht nur neidisch, weil Ihre Freundin schwanger geworden ist, sondern Sie schämen sich vielleicht auch dafür, dieses Gefühl überhaupt zu haben – „Besonders der besten Freundin/der eigenen Schwester sollte man es ja gönnen können“ könnten Sie dann denken. Aus dieser Scham heraus reagieren viele Betroffene erst mal mit Rückzug. Sie meiden Begegnungen mit schwangeren Freunden und Freundinnen oder Geschwistern und möchten am liebsten gar nicht über das Thema sprechen. Das kann anfangs auch eine Notfallstrategie sein, um in Ruhe die eigenen Gedanken zu sortieren. Allerdings tut dieser Rückzug Ihnen auf Dauer gegebenenfalls nicht gut: Ihre Angehörigen fehlen Ihnen und sie würden deren Unterstützung in Ihrer eigenen Kinderwunschzeit gut brauchen können. Es fehlt ihnen außerdem an Ablenkung und Freude und sie sind noch mehr in Gedanken als bisher schon.
Neid und Eifersucht sind Gefühle, die für viele Betroffene zur Kinderwunschzeit dazu gehören. Das liegt daran, dass Sie sich etwas ganz Bestimmtes wünschen und merken, dass sich genau dieser Wunsch für andere erfüllt, während Sie weiterhin auf eine Schwangerschaft hoffen. Neid ist eine Emotion, die wir Menschen ins uns tragen. Emotionen kann man nicht langfristig unterdrücken oder ungeschehen machen. Viel wichtiger ist es, wie wir mit diesen Gefühlen umgehen. Sie können das Gefühl des Neids auch aus einem anderen Blickwinkel betrachten um damit anders umzugehen.
Sie können Ihren Neid zum Beispiel als Signal interpretieren, dass Ihnen etwas wirklich wichtig ist. Viele sehen das Neid-Gefühl zum Beispiel als Motivation, sich umso stärker für den eigenen Kinderwunsch einzusetzen. Neid kann aber auch für ein Bedürfnis nach Trost und Verständnis stehen. Vielleicht wünschen Sie sich gerade ganz besonders eine starke Schulter zum Anlehnen und ein offenes Ohr, um über Ihren Frust zu sprechen. Möglicherweise haben Sie bisher auch entschieden, Ihren unerfüllten Kinderwunsch vorerst geheim zu halten und merken jetzt, dass Sie vielleicht doch lieber darüber sprechen möchten. Viele gehen erst mal auf Abstand, wenn sie gerade Neid empfinden – manchmal ist dieses Gefühl aber gerade ein Zeichen dafür, dass wir uns mehr Nähe und Verständnis wünschen.
Wenn Neid und Eifersucht länger anhalten oder wiederkommen, kann es helfen, Freunden und Freundinnen eine kleine Gebrauchsanweisung zu geben, wie Sie in Zukunft gerne mit dem Thema Kinderwunsch umgehen möchten. Wenn Sie Andere darüber aufklären, was Ihnen gerade persönlich guttun würde, kann das auch eine Hilfe für Ihre Bekannten sein. Diese wissen selbst manchmal nicht so genau, wie Sie am besten auf Sie zukommen können. Sie können sich zum Beispiel überlegen, wie Sie selbst gerne auf Kinder-Themen angesprochen werden möchten. Vielleicht hilft es Ihnen ja, Neuigkeiten eher in einem ruhigen Moment zu zweit zu erfahren. Oder es wäre Ihnen für eine Weile lieber, nicht die erste Ansprechperson für Baby-Sorgen zu sein und stattdessen wieder mehr über andere Themen zu reden. Sie können zum Beispiel sagen: “Das ist gerade eine schwierige Zeit für mich und ich wünsche mir so sehr ein Kind. Aber es ist mir auch wichtig, weiterhin mitzubekommen, was Dich bewegt. Wenn es das Nächste Mal Neuigkeiten zu Deinem Baby gibt, würde es mir helfen, wenn Du es mir auf diese Art und Weise sagst:…” So haben Ihre Freunde und Freundinnen die Möglichkeit, auf Ihre Bedürfnisse einzugehen und Sie haben Ihrem Gefühl eine Stimme gegeben. Oft ist allein dieser Schritt schon hilfreich, um das Gefühl des Neids zu lindern.
- Neid und Eifersucht stellen für viele Betroffene einen Teil der Kinderwunschzeit dar. Es fällt Ihnen zum Beispiel schwer, sich darüber zu freuen, wenn Freunde und Freundinnen schwanger werden oder ein Kind bekommen.
- Zusätzlich empfinden viele auch ein Gefühl der Scham und ziehen sich deshalb erst mal zurück. Der Rückzug ist meistens auf Dauer nicht hilfreich.
- Das Gefühl des Neids kann man auch anders betrachten: Vielleicht ist es ein Signal, dass Ihr Kinderwunsch besonders stark ist oder dass Sie das Bedürfnis haben, über Ihren Frust zu sprechen.
- Oft kann es helfen, Freunden und Freundinnen eine kleine Gebrauchsanweisung zu geben, wie Sie zukünftig über das Kinderwunsch-Thema sprechen möchten und welcher Umgang Ihnen guttut (und welcher nicht so).
Die Gefühle Neid und Eifersucht sind ein häufiger Bestandteil der Kinderwunschzeit, weil sie dafür stehen, dass wir uns etwas wünschen, das wir gerade nicht haben. Sie sind keine schlechte Freundin, wenn es Ihnen gerade schwerfällt, sich so richtig über die Schwangerschaften Ihrer Bekannten zu freuen. Diese Gefühle sind normal und können auch in einer Freundschaft ihren Raum finden. Ein erster Schritt kann darin bestehen, zu akzeptieren, dass Neid und Eifersucht nun einmal da sind und zu überlegen, ob sie Ihnen vielleicht etwas über Ihre Bedürfnisse verraten können.
Autorin: Sally Schulze
Sally Schulze ist Diplom-Psychologin, approbierte Psychotherapeutin und zertifizierte BKiD-Kinderwunschberaterin.